Wanderfalke im Heizkraftwerk
In Chemnitz entsteht im Moment ein neues Wahrzeichen. Ein 302 m hoher Schornstein am Nordrand der Stadt wird farbig gestrichen. Ein französischer Künstler hat die Farben dazu ausgesucht. Die oberen Segmente sind schon rot und gelb bemalt. Es wird in Zukunft ein weithin sichtbares Kennzeichen vom Heizkraftwerk Nord, das 1986 in Betrieb ging, um die Braunkohle aus den Tagebauen von Leipzig und der Lausitz zu verarbeiten.
Für die Turmfalken wurden hier Brutkästen angebracht. Vor etwa fünf Jahren war ganz überraschend einer vom Wanderfalken besetzt. Natürlich brachte man umgehend einen größeren Nistkasten in etwa 65 m Höhe an, der seitdem jedes Jahr besetzt ist. Ich selber habe die Jungvögel schon mit beringt. Es sind fast immer vier Stück, da Beutetiere in Form von verwilderten Stadttauben reichlich vorhanden und diese bilden auf jeden Fall den Hauptteil der Nahrung.
Anfang Juli erreichte mich ein Anruf von der Naturschutzbehörde. Ein junger Wanderfalke hatte sich im Maschinenhaus des HKW verstoßen und fand den Ausweg nicht wieder. Wahrscheinlich hatte er eine Taube angejagt, die durch ein offenes Fenster in das Innere der Halle geflogen war. Hier befinden sich öfter Tauben, die die Ausgänge kennen. Auch dieser Falke wurde beobachtet, wie er versuchte eine Taube zu schlagen, was natürlich bei den vielen Hindernissen misslang. Die Halle ist riesengroß und beinhaltet u. a. die drei Heizkessel, die über 50m hoch sind. Wie lange der Vogel in dieser recht heißen Halle zugebracht hatte, war nicht in Erfahrung zu bringen. Zunächst galt es ihn zu fangen, was sich allerdings als recht einfach herausstellte. Als ich eintraf, saß er auf einem hohen Fenstersims und reagierte sofort auf eine tote Taube, die ich an einem Strick vor ihm schwang. Sein Versuch, die Taube zu schlagen ging fehl und er landete auf dem Fußboden, wo ich ihm die Taube direkt vor die Fänge platzieren konnte. Er schlug sofort zu und ließ sich ohne Mühe aufnehmen. Sicher war er dehydriert und hatte lange keine Nahrung aufnehmen können.
Ich quartierte meinen Falken um und setzte den Jungvogel in die Falkenkammer.Vorher hatte ich noch eine Badebrente hinein gestellt und konnte beobachten, dass er von der Taube kröpfte.
Es war ein sehr schlanker, weiblicher Falke, als Wildfang sicher der Traum jedes Falkners, obwohl er, etwa zwei Monate alt, wahrscheinlich selber noch keine Beute gemacht hatte. Das zeigte sich auch dadurch, dass er meinen Altfalken, den er durchs Fenster sehen konnte, heftig anlahnte.
In diesem Jahr hatte man hier den Termin der Beringung verpasst und so war dieser Falke auch ohne Ring.
Da der Vogel nicht beringt war, rief ich den Vorsitzenden des Arbeitskreises Wanderfalkenschutz, Dr. Kleinstäuber an und wir vereinbarten einen Termin. Der Falke erhielt den Farbring in Gelb für Gebäudebrüter (Baumbrüter erhalten Grün und Felsbrüter Rot) und zusätzlich den mit Großbuchstaben und Zahlen versehenen Ring, der das Ablesen mit einem guten Glas auch auf weite Entfernung ermöglicht.
Inzwischen hatte der Falke wieder ein Gewicht von 850 g und sollte so schnell wie möglich wieder in sein gewohntes Umfeld kommen.
Wir ließen ihn ganz in der Nähe des Nistkastens wieder frei. Er flog ohne Mühe eine Runde um den Kühlturm und setzte sich dann auf eines der Flachdächer. Diese haben Regenabflüsse und offensichtlich war einer verstopft, denn es war eine Wasserlache auf dem Dach.
Zu unserer Freude schöpfte der Falke zuerst ausgiebig und badete dann lange Zeit bis er so nass war, dass er gerade noch auf ein benachbartes Heizrohr fliegen konnte. Hier putzte er sich lange und war dann unseren Blicken entschwunden.
Wir versuchten dann noch einen von den anderen Jungvögeln zu sichten, aber in diesem Wirrwar von Rohren, Treppenstufen und Entlüftungen ist das sehr schwierig.
Natürlich werde ich in den nächsten Tagen dort öfter mal nachschauen und auch der dort ansässige Ornithologe wurde informiert.
Dr. Kleinstäuber meinte, dass solche Vorfälle in Zukunft wohl häufiger vorkommen werden, weil bisher von diesen Bruten die Jungvögel bis auf einen in Baumhorste umgesetzt wurden, was die Jagdbehörde jetzt leider nicht mehr gestattet.
Ich selber wohne etwa 5 km Luftlinie von diesem Brutplatz entfernt und habe öfter jagende Wanderfalken im Anblick. Vielleicht ist demnächst „meiner“ mit dabei.
Klaus Richter, LV Sachsen