Von Falken und Flugzeugen

 

 

Im Sommer und Frühherbst 2012 flog ich für einen Jungfalkner einen jungen Habichtsterzel auf Krähen ein. Durch die freundliche Vermittlung meines österreichischen Freundes Kurt Fessler lernten wir dann den Habichtszüchter und Falkner Franz Forcher kennen.Franz lebt mit seiner sehr netten Familie in der Steiermark und betreibt die Falknerei, speziell das Fliegen von Habichten auf Krähen, auf hohem Niveau. Franz kann man falknerisch durchaus als „positiv bekloppt“ bezeichnen, wenn man als Außenstehender seine Einstellung, seinen Einsatz und vor allen Dingen seine neuen Ideen bei der Beize auf Krähen betrachtet.

 

Bei unserem ersten Zusammentreffen stimmte auf Anhieb die Chemie und er erzählte uns von seinem Trainingsprogramm, bei dem er seine Habichte immer wieder einmal, auch wenn diese längst eingejagt sind, an den Ballon fliegt. Diese Verfahrensweise begründet er damit, dass die üblichen Jagdflüge des Beizhabichts auf Krähen viel zu kurz sind, um beim Habicht genügend Brustmuskulatur aufzubauen, um regelmäßig richtig weite Jagdflüge auf Krähen zu zeigen. Seine Erfolge bei dieser Trainingsmethode geben ihm Recht und er beizt regelmäßig Krähen, die beim Start des Habichts weiter als 200 m vom Auto sitzen. Wichtig hierbei ist zu erwähnen, dass Franz die Chancen sorgfältig aussucht und den Habicht nicht dadurch fehlprägt, indem er ihm regelmäßig Krähen auf zu kurze Distanz präsentiert. Diese Verfahrensweise lohnt auf jeden Fall den Aufwand, weil so auch der Habichtler schönere und längere Jagdflüge seines Beizvogels genießen kann.

 

Anlässlich eines Telefonates berichtete mir Franz in seiner trockenen Art von einer Beize, bei der ihn einige Habichtler aus der Nähe von Wien begleiteten. Auf meine Frage hin, ob es denn den Wienern gefallen hätte, wie sein Habicht nach fast 500 m die Krähe nach mehreren Fehlstößen doch noch gebeizt hat? Franz antwortete in seiner unvergleichlichen Art: „Dehnen hot es die Sicherung herausgeschlogen“!

 

Zu Hause begann ich das Abtragen des Habichts  mit  der festen Absicht,  statt des Ballons einen Drachen einzusetzen,  neben Franz' Methode hatte ich darüber auch schon  einen interessanten Bericht eines norddeutschen Falkners in einem früheren Tinnunculus gelesen. Neben der Tatsache, dass es deutlich länger dauert, bis der Habicht  das Federspiel am Drachen annimmt als ein Falke, ist es interessant zu sehen, dass der Habicht  immer versucht im direkten Steigflug das Federspiel zu erreichen, ohne einen Ring zu fliegen.

 

Nach 2 Wochen schlug der Habicht das Federspiel in ca. 75 m Höhe.

 

Ich trainierte den Vogel nun mit dieser Methode ein und gab den Habicht aber nach dem fünften Stück Wild über einen  Umweg (ein zweiter befreundeter Falkner fing noch einige Krähen und eine Lachmöwe mit dem Terzel)  an den jetzigen Besitzer, der neben  Krähen auch ein paar Enten und etliche Ringeltauben  in seiner ersten Saison  mit dem Junghabicht gebeizt hat.  Auch zeigte der Terzel einige tolle weite Flüge mit mehrmaligem Nachsetzen, die uns für seine zukünftige weitere Entwicklung hoffen lassen. Gerne hätte ich  mit diesem sehr ausgeglichenen Habicht  länger gejagt, um zu sehen, wie weit man einen solchen Vogel ausreizen kann. Leider wurde dies durch das Lahnen des Vogels verhindert und obwohl ich alles Erdenkliche unternahm (Einfliegen in sehr hoher Kondition), um das Lahnen zu unterbinden - der Habicht war übrigens altvogelaufgezogen- störte mich das Lahnen  so sehr, dass ich mich gezwungen sah, meine Versuche frühzeitiger als geplant abzubrechen. Bei seinem jetzigen Besitzer verringerte der Terzel das Lahnen deutlich, ohne jedoch nach der ersten Mauser ganz damit aufzuhören. Grund für mein Verhalten ist sicherlich mein jahrelanger Umgang mit „stummen Falken“, die das Nervenkostüm nicht so sehr belasten  wie so ein Schreihals. Franz schlug ich jedenfalls vor, seine Habichtszucht in „Jodelhabichte.at“ umzutaufen !

 

Im Frühjahr 2013 telefonierte ich des Öfteren mit Franz und erfuhr von seinem Vorhaben, Habichte zukünftig  nicht nur am Ballon, sondern auch am Flugzeug zu fliegen, er berichtete mir auch, dass das Fliegen eines solchen Flugzeugs gar nicht so leicht wäre und er für den Sommer einige Übungseinheiten auf einem in der Nähe liegenden Modellflugplatz geplant habe. Von Franz' Vorhaben und nach einigen Gesprächen mit  anderen Falknern angeregt  stand für mich fest, auch einen Beizvogel auf ein Modellfugzeug zu trainieren. Da ich grundsätzlich dem traditionellen  Einfliegen von Falken auf das übliche Federspiel kritisch gegenüberstehe, gefiel mir der Gedanke an dieser  für mich neuen Methode.

Klare Vorteile sind:

  1. Der Beizvogel startet seinen Übungsflug immer vom Falkner weg in Richtung fliegendes Federspiel.

  2. Vor dem Start des Vogels kann man die Höhe des Federspiels fast beliebig  variieren, sodass Beizvögel  wie z.Bsp. Habichte  auch im Kopf so konditioniert werden, dass Sie lernen, grundsätzlich auf weite Entfernungen auch hoch fliegende Beute anzujagen.

  3. Je nach Modellflugzeugtyp kann man die Geschwindigkeit beliebig nach und nach dem  jeweiligen Trainingsstand des Beizvogels anpassen.

  4. Sehr schnell ist bei dieser Methode das  entwicklungsabhängige Jagdgewicht (Range) einzugrenzen, weil man sehr gut das Steig,- bzw. Flugverhalten beurteilen kann.

  5. Mit Hilfe von Tools, die am Sender der Fernsteuerung im Display zu sehen sind, hat man nicht nur Vermutung über Höhen  und Geschwindigkeiten, die ein Beizvogel überwindet, sondern faktisch richtige Messergebnisse, dieses Werkzeug dürfte Höhenangaben so  mancher Anwarterfalkner schnell relativieren.

  6. Nach dem Schlagen des Federspiels kommt der Falke mit einem  Bremsfallschirm (ohne wie beim Drachentraining mit den Schwingen zu schlagen) sanft  gleitend wieder zu Boden.

  7. Bezüglich der Flughöhen, auf die das Flugzeug das Federspiel zieht  gibt es nicht so restriktive gesetzliche Regelungen wie beim Drachentraining (gesetzlich verordnete Steighöhe des  Drachens maximal 100 m).

 

Beim  Einsatz des Modellflugzeugs benötigt man allerdings neben der Genehmigung des Grundstückseigentümers eine Haftpflichtversicherung, die mit ca. 80 €/a zu Buche schlägt.

 

Aber nun der Reihe nach. Nachdem ich beschlossen hatte, die Sache anzugehen, stellte sich die Frage nach der Ausrüstung, da ich hier über keinerlei Erfahrung verfügte, wandte ich mich an meinen Nachbarn, wie sagt man  so schön: „Das Gute liegt so nah“. Meinen Nachbarn Arno Hausmann kann man als Ingenieur alter Prägung bezeichnen, obwohl er gerade erst mittelalt ist, er ist technisch sehr versiert und vor allem bereit und in der Lage, mit einem technisch etwas unterbelichteten Falkner dessen Ideen weiterzuspinnen. Glücksfall in dieser Angelegenheit ist die Tatsache, dass Arno in Sachen Modellflugzeugsport auch beruflich unterwegs ist, er entwickelt und baut in seiner eigenen Firma evojet unter anderem Turbinen, um Modellflugzeuge auf Geschwindigkeiten von über 450 km/Std zu beschleunigen. So viel Power brauchte ich für mein Vorhaben nun zwar  nicht,  aber wir legten in den folgenden Tagen ein Anforderungsprofil für ein Modellflugzeug fest, welches besonders gut für das Training von Beizvögeln geeignet sein sollte und das alles in einem Preisrahmen, der eine Schallgrenze von 1000,- € nicht überschreiten sollte.

 

Unsere Anforderung war im Groben:

  1. Flugzeug mit Elektroantrieb.

  2. Spannweite ca. 140 cm, um es auch noch in Höhen von 300m-400m gut sehen zu können.

  3. Geschwindigkeits- und Höhenangabe im Senderdisplay. - Eventuell eine Kamera im Heck, die die Bilder auf das Senderdisplay überträgt.

  4. Flugzeugkörper aus Propyläen, um gegebenenfalls kleine notwendige Reparaturen im Feld mit Hilfe von Sekundenkleber zu beheben.

  5. Leichte Montage auch von Laien = Falknern.

  6. Relativ einfache Bedienung mit Hilfe von technischen Flugassistenzsystemen.

 

Als wichtiges Hilfsmittel um das Fliegen zu vereinfachen schlug Arno den Einbau eines sogenannten Dreiachskreisels vor. Dieses elektronische Bauteil sollte das Fliegen z. B. dahingehend vereinfachen, dass es den Einfluss von plötzlich auftretenden Windböen automatisch ausgleicht  und so das Erreichen eines stabilen Flugverhaltens erleichtert. Ein bezahlbarer Dreiachskreisel wurde auch  sofort beim  Marktführer bestellt und sollte auch im April geliefert werden, aber er kam nicht  und so vergingen Frühjahr und Teile des Sommers und statt des Flugzeugs holte ich bei Patrick Morel einen Rotfalken ab, den ich auf Krähen einfliegen sollte. Da beide Elternvögel  mir bekannte Jagdfalken sind, freute ich mich auf das Einfliegen dieses sehr schönen Jungfalken. Ob ich diesen Jungfalken nach dem Einfliegen behalten sollte, wollte ich später entscheiden, da ich zu Hause mit Else einen  10- jährigen Wanderfalken im 11. Flug stehen habe, der mir hoffentlich noch ein paar Jahre viel Freude bereiten wird. Entgegen unserem Brauchtum verpasste ich dem Falken schon bei  ihrem Züchter ihren Namen, da zur gleichen Zeit eine sehr nette junge Falknerin Patrick beim Anpassen einer Rucksackmontage half und sie mit Vornamen Valerie heißt. Also hieß der Falke schon vor der ersten Beute und allen Unkenrufen meiner Freunde zum Trotz Valerie.

 

Valerie präsentierte sich unproblematisch und nach Federspieltraining und ein wenig Freiflugstunden rund ums Haus prägte ich sie nur durch zweimaliges Hochwerfen einer toten Krähe auf ihre zukünftige Beute. Auf die ersten Krähen warf ich Sie wider besserem Wissen mit recht hoher Kondition und so landete eines ihrer ersten Opfer einen sog. „Lucky Punch“ und Valerie fiel erst  einmal 10 Tage aus, weil sich ein erbsengroßer Abszess im Bereich des rechten Schnabelwinkels  bildete, der aber von unserem Mitglied und Tierarzt Laszlo Hornyak problemlos entfernt wurde und perfekt verheilte.

 

Da das elektronische Bauteil immer noch nicht geliefert worden war und ich nun endlich doch den Falken am Flugzeug trainieren wollte machte ich mit Arno aus, dass wir bis zur Fertigstellung des Wunschflugzeugmodells das Flugzeug seines Sohnes für meine Zwecke missbrauchen wollten.

 

Arno brachte also einen Motorsegler (Motor mit Propeller sind mittig auf dem Flugzeug montiert) mit ca. 130 cm Spannweite mit. An einer 3mm starken und 6m langen Leine ist auf der einen Seite ein Bremsfallschirm d= 40 cm (Aus NVA- Beständen, wurde für Leuchtraketen benutzt) angebracht, auf der anderen ist das Federspiel in Form eines fleischigen Tauben- oder Krähenflügels fest verknotet. Nach einem Fehlversuch wurden später innerhalb der Leine drei Drahlen zwischengeschaltet  (kugelgelagerte aus der Hochseeangelei), um ein Verdrehen des Fallschirms zu verhindern. Der  gefaltete Fallschirm wurde dann mit Hilfe eines Gummis am Flugzeug angeklemmt und kann mit Hilfe eines Servos ausgekoppelt werden,  er löst sich aber auch nach dem Einschlagen des Falken selbstständig, weil der Schirm dann aus dem dünnen Gummi gezogen wird (doppelte Sicherheit). Mein Freund Ulli versuchte das Ganze ohne diese Gummiversion, mit dem Ergebnis, dass sein Gerterzel das Modellflugzeug eines befreundeten Piloten klassisch mit einem prächtigen Totalschaden zur Strecke brachte, weil der Fallschirm nicht wie geplant vom Piloten ausgeklinkt werden konnte, da er von der Geschwindigkeit, mit der der Ger anjagte, überrascht wurde. Das Ergebnis unserer abendlichen  Trainingseinheiten hat uns alle positiv überrascht und der Falke lernte gern und sehr schnell das Federspiel zu jagen.

 

Hatte er die Beuteattrappe noch am ersten Tag bei einem recht langsamen Vorbeiflug, bei dem das Federspiel senkrecht unter dem Flugzeug hing, in 5m Höhe geschlagen und zu Boden gebracht, steigerten wir die Trainingshöhen, auf denen sich das gezogene Federspiel befand, bevor der Falke entkappt wurde, innerhalb von einer Woche schon auf  über 100 m und flogen das Flugzeug mit Höchstgeschwindigkeit. Schon nach 4 Trainingseinheiten flog ich den Falken in Overath beim Falkner- Kursus –Schnuppertag mit einer Einschlaghöhe des Falken von ca. 150 m. Interessant war die starke, sich schnell steigernde Motivation des Falken, das Flugzeug- Federspiel, welches sich später bereits in Höhen von 200 m beim Entkappen des Falken befand, sofort anzujagen und dabei ständig die Schwingen hart durchzuziehen und bei richtiger Kondition niemals in den Gleitflug zu verfallen. Schon bei der 3. Trainingseinheit wurde der verhaubte Falke schon beim Einschaltgeräusch der Servos unruhig, wie wir es normalerweise bei unseren erfahrenen Falken beim Herunterfahren der Autoseitenscheibe bei der Krähenbeize kennen.

 

 

Nicht nur wir Falkner hatten unseren Spaß bei diesen Trainingsflügen, auch unser Pilot Arno absolvierte diese  mit Freude und wir trafen uns an einigen Sommerabenden in der Woche mit unseren Söhnen gut gelaunt am Gartenzaun, um mit dem Training zu beginnen, welches nur wenige Minuten in Anspruch nahm. Mehr noch, für eine Vielzahl der Einwohner unseres Ortes war der Flug Falke gegen Flugzeug ein echtes Sommer-Highlight und einige verlegten Ihren abendlichen Spaziergang, um diesem kleinen Schauspiel beizuwohnen.

 

Wichtig zu erwähnen ist, dass ich zwischen diesen Trainingsflügen den Falken immer wieder an Krähen brachte, um seine Jagdmotivation hoch zu halten.  Einen übertriebenen Einsatz des Modellflugzeugtrainings ohne zwischengeschaltete Jagdeinsätze halte ich im Hinblick auf die Jagdmotivation für problematisch, ohne darüber über eigene weitreichende Erfahrung zu verfügen, hier ist wahrscheinlich ein gesundes Mittelmaß zwischen Training und Jagdeinsatz  für einen Jungvogel das Richtige.

 

In den folgenden Wochen wurde der Falke immer stärker und trotz aller Flugkünste von Arno kam ihm das Flugzeug nicht mehr weg und wir überlegten ein stärker motorisiertes Modell einzusetzen.

 

Jagdlich eingesetzt beizte Valerie schon Anfang Oktober ihre 10. Krähe, eine Paarkrähe und ihre Flugkraft überzeugte uns genauso wie ihr unglaublicher Appetit und ihr Muskelaufbau, der wohl ursächlich dieser für uns neuen Trainingsmethode geschuldet ist.

 

Leider kann ich keine weiteren Erfahrungsberichte mit diesem Vogel und den Flugzeug weitergeben. Mitte Oktober blieb sie durch einen dummen Zufall abends im Revier und ich fuhr in völliger Dunkelheit, nichts Gutes ahnend, nach Hause, weil das Signal ihres Senders, von Störgeräuschen behindert , nur schwer zu orten war.

 

 

In der Dunkelheit des nächsten Morgens war ich wieder vor Ort doch der Falke war im Lichtsmog eines Kraftwerks und der umliegenden Städte schon weiter geflogen, trotz intensiver mehrtägiger Suche, bei der mich mein Freund Markus Dörstel und Rolf Eckert  intensiv unterstützten, blieb der Falke bis heute verschwunden und im Empfänger hörte ich nur noch den Bündelfunk der Tagebaubagger, die sich unaufhörlich in unsere Reviere fressen.

 

Mach et jot meine Schöne und pass gut auf dich auf!

 

Wolfgang Reuter; Landesverband NRW

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