Lehrjahre mit dem Steinadler (Teil 1)

Als 1989 der "Eiserne Vorhang" (die Grenze zwischen Bayern und der Tschechoslowakei) zu bröckeln begann, konnten die Bewohner der bayerischen Grenzgebiete nach 40 Jahren endlich auch Richtung Osten reisen. So machten mein damaliger Freund Alfred Zintl und ich von meinem Oberpfälzer Heimatort Münchenreuth aus eine Grenzwanderung zum "Tillenberg" bei Neualbenreuth, über dessen 980 m hohen Kamm die Bayerisch/Böhmische Grenze verlief. Nach anstrengendem Marsch packten wir unsere Brotzeit aus und bekamen Gesellschaft von drei tschechischen Wanderern, die den Berg von Osten bestiegen hatten. Einer der Männer sprach sehr gut Englisch und schon waren wir im Gespräch. Die Adressen wurden ausgetauscht und man versprach sich gegenseitig zu besuchen. Diese Begegnung sollte mein Leben entscheidend beeinflussen.

Franzek mit seinem Adler

Einige Wochen später lud uns Pavel zu einer Jagdveranstaltung in der Nähe der Stadt Cheb ein. Bei diesem Falkertreffen sah ich das erste Mal, wie man mit Steinadlern, Falken, und Habichten jagt. Ich war so begeistert, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte. In der Nähe von Cheb hatten die Falkner eine gemeinsame Volierenanlage mit Habichten, Sakerfalken,Wanderfalken und Steinadlern. Mittlerweile hatte ich mich mit den Falknern Franzek, Ladja, Peter und Stenjek angefreundet und fuhr jeden Tag nach Feierabend über die Grüne Grenze zu meinen neuen tschechischen Freunden, um alles über die Falknerei und die Beizjagd zu erfahren. Damals war die Falknerei totales Neuland für mich. Die Falkner waren alle sehr erfahrene Praktiker und sie brachten mir trotz anfänglicher Sprachschwierigkeiten die Grundlagen des Abtragens und Beizvogeltrainings bei. Die beste Lernmethode war ihrer Meinung nach "Learning by doing".

Ohne viel Aufhebens wurde für mich kurzerhand ein Habicht ausgehorstet. 1989/90 war das alles noch ohne bürokratische Hürden möglich. Wer einen Habicht brauchte, holte sich eben einen vom Baum. Ohne jegliche Sicherung und mit selbstgebauten Steigeisen kraxelte Franzek wie ein Eichhörnchen den Habichtsbaum hoch und kam mit zwei Nestlingen zurück. Einer davon sollte für mich sein und ich gab ihm den Namen "Pia".


Unter Franzeks und Peters Anleitung trug ich das Habichtsweib ab und war glücklich wie noch nie, einen eigenen Beizvogel zu besitzen. Rückschläge waren an der Tagesordnung, da ich als Anfängerin viele Fehler machte. So flog mir Pia einmal voll in das Gesicht und riß mir unter dem Auge eine lange klaffende Wunde. Doch das tat meiner Begeisterung keinen Abbruch; ich konnte es nicht erwarten, mit meinem Habicht jagen zu gehen.

 

Da passierte etwas Entsetzliches; bei einer kleinen Hausjagd in Cheb schlug ein Steinadler in tiefer Kondition nach einem erfolglosen Jagdflug meinen Habicht auf meiner Faust! Ich war untröstlich über den Verlust meiner Pia, hatte meine falknerische Laufbahn doch erst begonnen.
Da stellte mir Franzek einen 1-jährigen Steinadlerterzel-Wildfang zur Verfügung. Das sollte mein neuer Beizvogel werden! Franzek war ein unglaublicher Motivationskünstler und hatte mich schnell überzeugt, den Steinadler nach nur einem Jahr Falknerpraxis zu übernehmen. Es wurde nie viel diskutiert und alle waren der Meinung, dass ich jetzt genug von meinen tschechischen Lehrmeistern gelernt hätte um auch einen Adler fliegen zu können. Von da an war ich für die Pflege und Ausbildung des Steinadlers verantwortlich. Meine Ausrüstung war noch sehr mangelhaft und ich besaß nur einen gebrauchten Habichtshandschuh. Dieser wurde schnell mit einer zweiten Lage Leder verstärkt und schon hatte er sich in einen Adlerhandschuh verwandelt. Die Falknertasche habe ich mir immer von Franzek oder Ladja ausgeliehen wenn ich mit dem Steinadler arbeitete.

1. Jagd in Kladno

Mein Adler stand an einer ca. 4 m langen Flugdrahtanlage mit schönem Spitzhaus. Da ich dem vorhandenen Material nicht traute, kaufte ich in einem Segelsportgeschäft einen Edelstahlwirbel mit dem man einen LKW hätte abschleppen können. Aber ich konnte ruhig schlafen, weil mein neuer Liebling sich mit dieser Sicherung nicht losreißen konnte. In der Tschechei gab es 1990 noch keinen Versand von Falknerzubehör. Alles wurde in Handarbeit selbst hergestellt. Einer nähte Taschen und Handschuhe, der Andere machte Falkenhauben, der Nächste wieder schmiedete hervorragende Falknermesser usw.; oft wurde einfach nur getauscht. Da es in meiner Oberpfälzer Heimat keinen aktiven Falkner gab wo ich mir hätte Rat holen können, habe ich mein Zubehör in Teilen selbst gebastelt oder umfunktioniert.


Meinem Steinadler gab ich spontan den Namen Dino. Die ganze Freizeit spielte sich von jetzt an nur noch in der Tschechoslowakei bei meinem neuen Beizvogel ab. Das Abtragen dieses Wildfang-Adlers gestaltete sich als sehr schwierig. So saß ich oft stundenlang regungslos mit dem Adler auf einer Parkbank, und schon bei der kleinsten Bewegung sträubte mein Dino das Kopfgefieder und krampfte starr den Handschuh. Er hatte einfach nur Angst. Nach einer schier endlosen Zeit kröpfte er das erste Mal sehr, sehr vorsichtig auf meiner Faust. Ich hätte fast geheult, so wunderbar war dieses Gefühl für mich. Machte ich einen Fehler, dauerte es mitunter Tage bis er mir wieder etwas vertraute.
Doch jeder Tag brachte kleine Fortschritte, und nach einigen  Wochen kam Dino an seiner Flugdrahtanlage  1-2 Meter auf meinen Handschuh. Immer noch war er sehr misstrauisch, und täglich trug ich den Steinadler stundenlang durch das kleine Dorf Hajek und den angrenzenden Naturschutzpark und erzählte ihm von den großen böhmischen Feldhasen, die ich mit ihm im Herbst fangen wollte. Bewusst trug ich den Adler ohne Haube, damit er Geräusche und Reize kennenlernen und auch zuordnen konnte. Unter der Haube hatte er immer Stress, was man am  gestäubten Kopfgefieder und den nach unten gesenktem Kopf leicht feststellen konnte.


Mein großer Vorteil war, dass Ladja, Franzek und Stenjek ebenfalls Steinadler flogen, und ich mir dadurch sehr viel abschauen konnte. "...Zuschauen, folgern, nachmachen...". Keiner gab mir große Erklärungen, ich gehörte nun dazu und alle waren neugierig, wie mein Adler jagen würde. Dino kam jetzt schon an der Lockschnur 10 Meter auf meinen Handschuh. Er landete immer ungebremst und hatte einen wahren Schraubstockgriff. Mein Interimshandschuh und meine Finger waren schon bald durchlöchert und ich ließ mir meinen ersten dicken Adlerhandschuh nähen, den ich heute noch besitze (eben Qualitätsarbeit).
Franzek meinte, dass es langsam an der Zeit wäre, mich richtig zu "bewaffnen". So besorgte ich mir in Karlsbad eine große Jagdtasche und ließ mir von einem befreundeten Messermacher zwei Falknermesser schmieden, die ich nicht ohne Stolz an meiner nagelneuen Tasche fixierte. Das kleine Messer war für "kleines Wild" (Hase) und der lange große Dolch für "großes Wild" wie Fuchs und Rehe. In meine Falknertasche kamen noch ein Marderbalg mit Schnur, 1-2 große Hasenkeulen und mindestens 25 Küken. Meine tschechischen Lehrmeister trichterten mir ein, dass man niemals leichtsinnig und mit nur mangelhafter Ausrüstung mit dem Adler ins Revier geht.
Bei den tschechischen Falknern war die Rehjagd mit dem Steinadler die Regel, während der Habicht für den Hasen zuständig war. An meiner Ausrüstung alleine hatte ich schon ganz schön zu schleppen. Die Freude an dem Steinadler war aber so groß, dass ich die körperliche Anstrengung, die mit dem oft stundenlangen Tragen verbunden war, gerne in Kauf nahm.
Jetzt konnte das Flugtraining endlich richtig losgehen. In den vergangenen Wochen war ich schon viel sicherer im Umgang mit dem Steinadler geworden und konnte viele Situationen gut einschätzen.
Das Biotop um die Volierenanlage herum bestand meist aus kleinen Pappeln und Birken: eine Hochmoorlandschaft und große Bäume waren daher Mangelware. Um die Adler gut trainieren zu können, bauten wir auf einer großen verwilderten Wiese im Abstand von ca. 200 m zwei Aufbaummöglichkeiten, ähnlich einem 4 Meter hohem Fußballtor.  Damals, kurz nach Ende des Kommunismus, waren alle staatlichen Angelegenheiten in der Tschechoslowakei noch nicht richtig geordnet. So war die Reviergrenze unseres Jagdgebietes der Horizont, und alles was nicht schnell genug auf die Bäume kam, gehörte zum jagdbaren Wild. Für uns Falkner geradezu paradiesische Zustände, gab es in "unserem" Revier schließlich Fasane, Rebhühner, Bekassinen, Hasen, Füchse und Rehe.


Der erste Trainingsflug endete in einem Fiasko. Da ich Angst hatte, dass der Adler mir wegfliegen könnte, hatte ich ihn noch mit der Lockschnur an meinem Hosenbund gesichert. Ich gab den Adler auf der Trainingswiese frei, in der Hoffnung, dass er "nur" die wenigen Meter bis zum ersten "Fußballtor" fliegen würde und ich ihn direkt zurück auf meine Faust holen könnte. Doch kaum war Dino oben, startete er sofort durch, als hätte er bloß auf diese Gelegenheit gewartet. Die Schnur legte sich über die Stange und mein Adler blieb in 2 m Höhe kopfüber hängen. Ich traute meinen Augen nicht und verkürzte schnell den Abstand, damit der Adler wieder auf den Boden kam. Gott sei Dank hatte mich niemand beobachtet, was für eine Blamage. Das sollte mir nicht noch einmal passieren und schon war die Schnur ab. Mein Adler flog das erste Mal total frei. Meine Angst war unbegründet, denn als er 200m entfernt aufbaumte, drehte er sich sofort nach mir um und kam mit hervorragendem Appell zu mir zurück. Nur landete er nicht auf meiner Faust, sondern bretterte ohne Bremse in meine linke Hüfte und Oberschenkel. Doch Franzek hatte mich für alle Situationen sensibilisiert. Schnell warf ich einige Küken auf den Boden, um den Adler abzulenken. Der Fehler lag bei mir; ich hatte den Wind nicht berechnet. Mit einem starken Rückenwind wurde Dino nach unten gedrückt und konnte seinen Flug durch den Schub von hinten nicht genügend stabilisieren und verfehlte so meine Faust; er war ja genauso unerfahren wie ich. So mancher Falkner würde einen Adler in dieser Situation schnell als besonders aggressiv einschätzen, was völlig falsch wäre. Ich hatte Lehrgeld bezahlt und war um eine Erfahrung reicher. In Zukunft würde ich den Wind besser mit einbeziehen.


Mittlerweile war es September geworden und durch ausgiebiges Training waren mein Adler und ich unzertrennlich geworden. Wenn ich mit dem Auto vorfuhr, konnte ich schon von Weitem am Klang seiner Bells hören, dass er aus seinem Spitzhaus herausgeflogen war und mich auf dem Holzblock, von wo er um die Ecke schauen konnte, erwartete. Manchmal gab er dann einen ganz, ganz  leisen Kontaktlaut von sich. Es gab Tage, da hätte ich vor lauter Freude in die Sonne beißen können.
Dino hatte ein Fluggewicht von ca. 3100 g. Bei diesem Wildfang war die Waage unerlässlich. Erhöhte ich das Gewicht nur um 100 g, flog er wie ein wilder Adler, hoch und sehr weit weg. Oft musste ich die Notbremse ziehen (den Marderbalg) um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Leider flog ich diesen Adler die erste Zeit durch meine Unerfahrenheit  auch oft in einer zu tiefen Kondition, und dafür muss ich mich heute noch bei ihm entschuldigen. Die Erkenntnis, dass nur der in hoher Kondition jagende Beizvogel genug Kraft, Ausdauer und Beutewillen hat, kam mir erst später.
Manche Falkner glauben irrtümlicherweise, dass "scharfe Konditionierung" die Voraussetzung für den Jagderfolg ist. Das kann beim Adler fatale Folgen haben, wie ich mehrfach am eigenen Leib erfahren habe. Ein hohe Kondition unterscheidet den "Lustjäger" vom "Frustjäger"!


Franzek holte aus der Tiefkühltruhe einen Hasen und taute ihn auf, um meinen Adler auf Wild einzufliegen. Ich rannte mit dem Hasen im Schlepptau, so schnell ich konnte, im Zick-Zack über das Stoppelfeld und Dino fing den Hasen sofort ohne zu zögern. Franzeks Anweisungen folgend entfernte ich mich, um den Adler in Ruhe kröpfen zu lassen. Als "wilder" Adler traute er niemandem und sicherte nur die Beute. Kam jemand in die Nähe, drohte er so stark, dass er beinahe nach hintenüber kippte. Ständig nach allen Seiten sichernd, brauchte er fast 2 Stunden, bis er fertig geatzt hatte und sein Kropf voll war. Als ich ihn dann von der Beute abnehmen wollte, schlug er blitzschnell beide Fänge in meinen Handschuh und drückte zu, was das Zeug hielt. Erst nach und nach entwickelte er so etwas wie Vertrauen zu mir, blieb aber immer in gewisser Weise distanziert.
Ich trainierte fleißig mit Dino und wir bereiteten uns für die erste große Jagd vor. Als Kind träumte ich immer von einer Karriere als Häuptlingstochter, die mit Adlerfedern geschmückt an Winnetous Seite ritt. Mit dem Steinadler und der Falknerei war ich meinem Kindheitstraum schon sehr nahe gekommen...!
Ende September fuhr ich mit Franzek und Stenjek nach Kladno bei Prag zu einem kleinen Falknertreffen. Da ich noch keine Transportkiste hatte, saß ich während der 3-stündigen Fahrt mit meinem verhaubten Adler auf der Faust auf dem Rücksitz. Dino knetete ständig meinen Handschuh, da er unter der Haube immer Stress hatte. Als wir an der Jagdhütte ankamen, war mein linker Arm so taub, dass er wie leblos an mir hing. Es waren ungefähr 30 Falkner und Falknerinnen versammelt mit Habichten und Steinadlern. Transportkisten hatten die Wenigsten; meistens stand der Beizvogel beim Transport im Kofferraum des Scoda's oder auf dem Beifahrersitz. Alle Falkner schliefen im Jagdhaus in Etagenbetten in einem Raum, manche im Auto, und die ganz Abgehärteten auf der Beizvogelwiese unter freiem Himmel. Das nächtliche Schnarchkonzert in dem kleinen Schlafsaal war ohrenbetäubend und der Sauerstoffgehalt zum Morgen hin bedenklich gesunken! Es gab kein Wasser in der Jagdhütte und wer baden wollte, musste zum 2 km entfernten Friedhof laufen; dort war ein Brunnen mit manueller Pumpe zum "Erfrischen". Ich hatte Gott Sei Dank einige Flaschen Mineralwasser dabei für Katzenwäsche und Zähneputzen. Aber ich fühlte mich sauwohl und von allen Falknern sehr herzlich aufgenommen.

Der erste Hase

Am ersten Jagdtag verfolgte Dino rasant die Hasen, doch im entscheidenden Moment drehte er ab. Ich war ehrlich gesagt etwas enttäuscht. Auch der zweite Jagdtag blieb erfolglos und ohne Beute fuhren wir wieder nach Hause. Nachdem ich zwei Tage den Adler über kilometerlange Rübenfelder getragen hatte, war ich körperlich ganz schön platt. Doch Dino war mir so an das Herz gewachsen, dass ich die Strapazen gerne in Kauf nahm.
Schon das Wochenende darauf waren wir mit 3 Steinadlern (einer im Kofferraum, einer in der Kiste, meiner auf der Faust) wieder unterwegs nach Zelenec zur nächsten Tagung. Ich trug Dino bei der Jagd nun immer unverhaubt, und das war meine beste Entscheidung. Ich musste mich zwar unheimlich konzentrieren, damit ich den flüchtenden Hasen nicht verpasste, aber unter der Haube hätte sich der Adler niemals zu so einem nervenstarken hervorragenden Beizvogel entwickelt.
So machte Dino am ersten Jagdtag plötzlich einen langen Hals und wiegte seinen Kopf hin und her. "...Da ist etwas.." rief mir Franzek zu "..pass auf...."! Unter Hochspannung ging ich langsam weiter und traute mich kaum zu atmen. Da! Ein Hase schoss 15 Meter vor mir wie eine Rakete aus der Sasse und mein Adler stürmte hinterher. Nach einer kurzen Zeit hatte Dino den Hasen eingeholt und mit eisernen Doppelkopfgriff gebunden. Meine erste Beute!! Ich schrie vor Freude und lief schnell zu meinem Adler, um den Hasen abzufangen. Alle Falkner schüttelten mir die Hand mit herzlichem "Sokolnictvi..."
Ich setzte mich etwas abseits in das Feld und musste vor Aufregung erst mal "eine rauchen". Für mich war der Tag gelaufen und ich ließ die ganze Jagdgesellschaft weitergehen, um meinen Adler kröpfen zu lassen. Da er seiner Umgebung misstraute, sicherte er immer wieder nach allen Seiten und brauchte eine Ewigkeit bis sein Kropf voll war. Nachdem ich ihn problemlos vom Rest der Beute abgenommen hatte, putzte er sich an meiner rechten Faust den Schnabel; was für ein Vertrauensbeweis! Ich musste noch ca. 2 km bis zum vereinbarten Treffpunkt laufen, wo alle
Falkner von einem großen Omnibus abgeholt wurden. Es herrschte eine tolle Stimmung in dieser Falknergemeinschaft. Habichte standen auf den Sitzlehnen und schmelzten nach Herzenslust in alle Himmelsrichtungen. Zur Feier des Tages legte auch Dino zwei lange "Streifen" in den Mittelgang und kein Mensch regte sich darüber auf. Schon im Bus nickte ich vor Erschöpfung fast ein und mein Adler stand unverhaubt und zufrieden wie ein Baum auf dem zerschlissenen Sitzpolster neben mir.
Am Abend spendierte ich natürlich auf meine erste Beute einige Becherovka und ich schlief leicht schwindelig und beseelt auf der harten Rosshaarmatratze ein.


Am zweiten Jagdtag passierte das Unglaubliche: Dino fing mit noch halb vollem Kropf auf Anhieb seinen zweiten Hasen auf eine Entfernung von gut 300 Metern. Ich traute meinen Augen nicht und meine tschechischen Falknerfreunde schüttelten lachend und ungläubig den Kopf. Von da an flog ich den Adler in einer viel höheren Kondition und kaufte mir zur Sicherheit einen Sender.
Da Franzek, wie mir schien, alle Falkner zwischen Erzgebirge und Karpaten persönlich kannte, war ich bis Ende Dezember mit meinen Freunden beinahe jedes Wochenende unterwegs zur Jagd. Manchmal wurde mit dem Schlafsack in Heuschobern übernachtet oder in unbeheizten kleinen Ferienhäusern, selten im Hotel und immer war es für mich abenteuerlich. Am Ende der Saison hatte ich mit Dino 21 Hasen und eine verwilderte Hauskatze gefangen.


Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, hatte mein Steinadler doch noch einige Überraschungen für mich bereit.
Davon erzähle ich im nächsten Tinnunculus "Lehrjahre mit dem Steinadler Teil 2 ".

Edith Voell-Günthner, LV Bayern

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