Die Volkskiste

 

Präludium: Die Geburt der Habichtskiste aus dem Geist der Musik

 

Im Russischen gibt es die Menschen mit „goldenen Händen“ (zolotye ruki), das sind solche, denen handwerklich alles gelingt und flott von der Hand geht. Ich gehöre nicht dazu. Trotzdem oder gerade deswegen reizt mich immer wieder die Herausforderung, mit meiner Hände Arbeit etwas Konkretes zu erschaffen. Ich weiß nicht warum, aber die Habichtskiste ist für mich zu einer Obsession geworden. Sitze ich im Konzert oder in der Oper schweifen meine Gedanken unwillkürlich zum Bau der Kiste. Während z. B. bei Wagners Tannhäuser  sich die Gedanken der Frauen und Männer um mich herum zum Erhabenen emporschwingen oder gar im Nirwana auflösen, treiben mich unwillkürlich Baupläne für eine ultimative Transportkiste um. Man mag das als trivial abtun, ich sehe mich aber hier in der Nachfolge des großen deutschen Romantikers Novalis: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, romantisiere ich es." Dieses Zitat ist in Bezug auf die Transportkiste selbsterklärend, daher verzichte ich auf eine Erläuterung.

Während die Geigen schluchzen und korpulente Sopranistinnen ihr Bestes geben, dreht sich in meinem Kopf alles um Winkel, Schrauben, Stifte, Stichsägen und Akkuschrauber. Vor meinem geistigen Auge entsteht das Ideal der leicht zu reinigenden, platzsparend zusammenklappbaren Ziehharmonika-Kiste. Obwohl ein großartiger, um nicht zu sagen genialer Einfall den anderen jagt, ist mir dieser große Wurf allerdings noch nicht gelungen, da mir zum Ende der Veranstaltung die Erinnerung geschwunden ist oder sich bei der Ausführung praktische Hemmnisse entgegenstellen. Immerhin habe ich nach dem Besuch von „Hoffmanns Erzählungen“ die Duett-Kiste geschaffen, bei der die Bodenplatte mitsamt der Sitzgelegenheit in eine Holzschiene eingeschoben war und sich zur Reinigung herausnehmen ließ. Leider aber quollen und platzten die beschichteten Spanplatten beim Reinigen mit Wasser auf, sodass das Ganze in recht kurzer Zeit unansehnlich war und auch nicht mehr richtig funktionierte.

Dieser Misserfolg brachte mich dazu, mich mit kleineren Brötchen zufriedenzugeben. Bei meinem Falknerfreund Lothar Wenzel sah ich eine Kiste aus Kunststoff, die mich sofort begeisterte. „Lebensmittelecht und mit dem Kärcher zu reinigen,“ versicherte mir Lothar stolz. Ich ließ mir den Bau erklären.

 

 

Bevor ich jetzt aber konkret werde, einige Worte allgemein zu Bauanleitungen. Die gibt es für Falknereigeräte zuhauf, auch für Transportkisten, manchmal sind sie sehr pauschal und ungenau, im andern Extrem setzen sie eine Tischlerlehre oder zumindest „goldene Hände“ voraus. Nicht selten sind auch die Materialien, z.B. Kunststoffplatten, deren Eigenschaften hoch gepriesen werden, für den Laien schwer oder gar nicht erhältlich, z.B. werden keine oder solche Bezugsquellen angegeben, die nur für Großabnehmer gedacht sind, und schließlich will man ja die Kisten nicht in einer Serie von 100 Stück bauen. Ich halte es deshalb für wichtig, dass man das benötigte Material in jedem Baumarkt erwerben kann.

Das von Lothar vorgestellte Modell, dessen Vorzüge ich zum Schluss noch rühmen werde,  ist eine narrensichere Konstruktion, die auch von Menschen mit zwei linken Händen leicht zu bewerkstelligen ist. Das nötige Material stellt jeder Baumarkt bereit.

 

 

Komposition

 

Für den Bau der „Volkskiste“ sind folgende Werkzeuge und Materialien nötig:

- ein Gummihammer, zur Not tut‘s auch ein normaler, den man mit einem Holz oder Lappen abschirmt

- ein Akkuschrauber,

 

- eine Stich- oder Kreissäge,

mehr braucht es nicht.

 

Material für eine Transportkiste in den Maßen BxHxT: 56 cm x 76 cm x 53 cm

11 Quadratstäbe, Kunststoff, 23,5mm á 4,19                 46,09 €

 8 Eckverbinder á 1,79                                                     14,32 €

 2 T-Verbinder á 1,89 (fakultativ)                                      3,78 €

 4       Winkelverbinder á 1,59                                                  6,36 €

 2 Scharniere á 1,99                                                            3,98 €

 1 Riegel                                                                             2,99 €

 1 Packung Spax, 3x20 (100 -Stück)                                 5,19 €

 1 Hohlkammerplatte Makrolon, ca. 4,6mm, klar            34,99 €

Gesamt:                                                                                  117,70 €

 

Für eine Kiste in den oben genannten Außenmaßen reicht eine Platte 105 cm x 200 cm genau aus.

Möglicherweise bietet das Internet günstigere Bezugsquellen als ein Baumarkt, auch sind sicher bei den Platten auch andere Materialien als Polykarbonat brauchbar. Statt der Kunststoffquadratstäbe kann man natürlich auch solche aus Alu verwenden, die natürlich teurer sind. Außerdem muss man für die Bohrschrauben etwas tiefer in die Tasche greifen. Nicht berücksichtigt sind die Kosten für die Beklebung mit einer Folie, die sich aber sicher in Grenzen halten.

 

 

Die Aufführung

Mein Freund Johann Klöpper hatte Bedarf für zwei Kisten, die sich in seinem Kombi nebeneinander stellen lassen. Ich schildere und kommentiere jetzt ihre Herstellung.

Zunächst ist festzustellen, dass einer der ärgsten Feinde des Heimwerkers meiner Erfahrung nach der rechte Winkel ist. Auch wenn man wie ich lange Zeit der Überzeugung nachhing, dem Geraden sei auch das Krumme gerad, muss man in der Praxis feststellen, dass sich Abweichungen vom rechten Winkel in der Folge potenzieren. Das heißt, hat man einmal krumm angefangen, wird es beim nächsten Stück, das angesetzt werden muss, noch krummer. Zum Schluss ist dann die ganze Stellage schief und krumm und passt im schlechtesten Fall zuallerletzt nicht mehr zusammen.

Diese Gefahr ist bei unserer Konstruktion gebannt. Die Verbinder sorgen automatisch für den richtigen Winkel. Als ersten Schritt stellen wir zuerst mit ihrer Hilfe und den Kunststoff- oder Aluleisten einen Rahmen in der passenden Größe her. Die Verbindungsstücke werden mit dem Gummihammer sanft in die Leisten getrieben, eigentlich kann man dabei nichts falsch machen. (Bild 1) So entsteht in kurzer Zeit ohne Schrauben oder Nageln ein mustergültiger Rahmen (Bild 2). Danach schneidet man mit der Stich- oder Kreissäge die Wandstücke zurecht, die dann auf Seitenwände, Ober- und Unterseite mit den Bohrschrauben - Vorbohren ist unnötig - aufgeschraubt werden. Ich finde es praktisch, Wände und Tür ca. 3 cm über die Decke des Kastens überstehen zu lassen, um das Dach als Ablage für Falknertasche oder anderen Kram nutzen zu können. Eventuell kann man sich Seitenteile, Boden und Dach auch im Baumarkt zuschneiden lassen.

 

 

Die Tür befestigt man mit zwei Scharnieren, zum Verschließen eignet sich ein Riegel, man kann auch einfach oben durch Rahmen und Türrahmen ein Loch bohren und einen Nagel darin versenken. Der Riegel wird einfach auf die Rahmenleiste geschraubt.

Hat man die Löcher für die Lüftung gebohrt, ist die Kiste bis auf die Sitzgelegenheit jetzt fertig. Da es aber in der Regel notwendig ist, dass der Vogel abgeschirmt steht und nicht hinausschauen kann, wird es noch notwendig sein, Wände und Tür von außen mit einer wasserdichten Folie zu bekleben. (Vielleicht sollte man einmal mit einer Tönungsfolie experimentieren, die es für Autoscheiben gibt. Das hätte sogar den Vorteil, dass man in die Kiste hineinschauen kann, der Vogel aber nicht heraus. Das ist aber nur ein Vorschlag, ich habe es noch nicht ausprobiert.) Die abgebildete Kiste ist mit einer selbstklebenden Folie im Holzdesign beklebt. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Man kann selbstverständlich auch nicht transparente Hohlkammerplatten verwenden. Bei den opaken (milchig-weißen) muss man sich allerdings darauf gefasst machen, dass einem unterstellt wird, man habe das Innere eines Kühlschranks ausgebaut und zweckentfremdet. Mein Prototyp ist aus diesem Material und ich musste mir mehr als einmal Bemerkungen dieser Art anhören, was meinen Heimwerkerstolz anfangs schon gekränkt hat, wie ich offen zugebe.

Die Sitzgelegenheit wird mit Hilfe von je zwei Winkeleisen auf die beiden Seitenholme mit denselben Stäben montiert, aus denen auch der Rahmen besteht.

Ich verzichte auf eine hochgezogene Kante, weil sich dann der Boden leichter reinigen lässt.

 

 

Vorteile dieser Konstruktion:

 

- leicht zu bauen

- geringes Gewicht

- leicht zu reinigen

- gute Hygiene

- bei guter Behandlung unverwüstlich

- wetterfest, kann sogar draußen gelagert werden

 

Verbesserungsvorschläge und Erfahrungsberichte werden gerne entgegengenommen.

 

Kuno Seitz, LV Berlin

Johann Klöpper, LV Niedersachsen

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