Das glaubt mir keiner!
Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit bei AIRBUS kümmere ich mich auch um alle tierischen Belange auf dem Gelände. Neudeutsch wird dies im Wildlife Control Handbuch von AIRBUS auch als „Erfüllungsgehilfe des Vogelschlagbeauftragten“ bezeichnet.
Morgens um 9 Uhr klingelte mein Telefon und mir wurde berichtet, dass in der Halle ein „Turmfalke“ eine Taube gefangen und sich zum Fressen vor das Hallentor gesetzt hätte.
Da wir Turmfalken Brutpaare an den Hallen haben, war ich dementsprechend gespannt was ich da für einen kräftigen Turmi vorfinden würde. In der Vergangenheit gab es auch schon einige „skurrile“ Tier- bzw. Vogel Meldungen. Die mir gemeldeten Waschbären waren tatsächlich Marderhunde, ein Pinguin entpuppte sich als Krabbentaucher aus Island, und Graureiher sind mitunter auch Haubentaucher. Füchse, Rehe und entlaufene Hunde werden allerdings meist richtig angesprochen.
Kurz gesagt, der Turmfalke entpuppte sich als junger Wanderfalkenterzel.
Wie mir berichtet wurde, hatte dieser aus dem Ansitz heraus vor ca. 20 Minuten eine Taube in der Halle geschlagen und saß am Hallentor ca. 15m von der nächsten Personentür entfernt.
Da der Wanderfalkenterzel eine Annäherung auf ca. 20m zuließ und weiter kröpfte, vermutete ich dass dies seine erste richtige Beute war und er demzufolge ziemlich runter war.
Was also tun? Der Falke konnte nicht dort sitzen bleiben und die Beute soll er nach Möglichkeit ja auch behalten. Die Hallentore (30*30m) mit Rundumblinkleuchte und Warnton auffahren? Damit riskieren dass sich der Vogel erschreckt und in die nächste Scheibe fliegt!
Rondieren war leider auch keine Option, das Hallentor machte da einen Strich durch die Rechnung.
Wer nun schon einmal versucht hat sich seinem, auf Beute stehendem Beizvogel, in zu hoher Kondition zu nähern, kennt zwei Ausgänge: entweder er leitet oder der Vogel ist weg.
Ich hoffte auf Leiten. Also schnell ein paar Vorbereitungen. Die Personen-Hallentür aufstellen und verkeilten. Zusätzlich eine Barriere aus Transportkisten, Fahrrädern und Jacken hinter der Tür positionieren. Zusätzlich die Zuschauer (es finden sich ja immer ganz schnell Leute die gerade Zeit haben) als Helfer an das Ende der Barriere dirigieren.
Der Plan war sich dem Falken langsam aus der einen Richtung zu näher und damit eine Hüpf- und Schleppbewegung in Richtung Tür zu provozieren.
Trifft die Falken-Tauben Kombination nun auf die Barriere, ist die geöffnete Tür der Weg nach draußen.
Ich bewegte mich nun auf den Terzel zu, der weiterhin in aller Ruhe kröpft. 20m, 15m, 10m - so langsam sollte er sich nun zur Tür bewegen. Schließlich näherte ich mich dem Falken bis auf 5 Meter! Ich konnte nicht widerstehen, das Handy gezückt und abgedrückt, das wird mir sonst keiner glauben!
Und weiter. Bei ca. 3 Meter stellte der Falke das Kröpfen ein und schaut mich an: “Was willst Du denn?“. „Ich will dich hier raus bringen und deine Taube sollst Du behalten!“ Ich hatte noch mein Handy in der Hand und drückte erneut ab.
Ich ging in die Knie und näherte mich weiter bis auf 1m. Mein Herz schlug bis zum Hals. Dann ging es flach auf den Boden weiter. Ich bewegte mich ganz langsam auf das Stillleben zu. Ich schaffte es bis auf 30cm zum Terzel und streckte meine rechte Hand zur Ablenkung aus, welche auch interessiert vom Terzel beäugt wurde. Mit der Linken ging ich langsam von hinten an die Ständer. Und dann, ich denke ich träume, hielt ich den Terzel in meinen Händen.
Das war zwar so nicht geplant, ging aber auch!
Nun beeilte ich mich den Terzel auf der Taube stehend aus der Halle zu tragen und in einer stillen Ecke abzulegen. Dies gelang auch ohne dass der Vogel zu viel Stress ertragen musste, er sprang nur einmal halbherzig ab. Schnell kontrollierte ich noch das das Brustbein des Falkenterzels und stellte überrascht fest, dass er doch recht hoch in Kondition war.
Nun kam noch ein heikler Akt, den Falkenterzel mit einer Hand festhalten und mit der Anderen die Taubenbrust freilegen. Die Versuchung ist zu groß, ich mache noch ein schnelles Foto.
Langsam drückte ich die Hände des Terzels auf die Taube, die sich wieder in der Taube verkrallten. Langsam lockerte ich meinen Griff und entfernte mich ruhig um die Ecke.
Ich schlug einen großen Bogen um die Hallenecke und beobachte den Wanderfalkenterzel.
Und was für ein Glück, nach wenigen Minuten fängt er wieder an zu kröpfen.
Was für eine Erfahrung, sie wird mir wohl nicht so schnell aus dem Kopf gehen.
André Legrand
Hamburg