Ein arabischer Nachmittag in Westfalen

 

Durch einen Zufall lernte ich Hussein aus Dubai in Aachen bei einem LKW-Händler kennen.

Wir, mein Jagdfreund Thomas und ich, suchten für Thomas einen neuen LKW, da wir vor unserem Termin im Autohaus noch mal eben eine Krähe gebeizt hatten, stand Else, mein Wanderfalke im 8 Flug, verhaubt und mit gespannten Kropf in meinem Auto.

Während wir noch die angebotenen Fahrzeuge verglichen sprach mich der Partner des Händlers, ein Syrer, an und fragte mich geradewegs, was der Falke denn kosten solle, den er gerade in meinem Auto entdeckt hatte. Meine Antwort auf diese Kaufanfrage, dass wohl der gesamte LKW-Bestand nicht ausreiche, um diesen Falken zu bezahlen, sorgte für allgemeine Erheiterung.

Der Händler stellte mir dann aber seinen Kunden, einen jungen Mann vor, der sich als Hussein aus Dubai vorstellte und mir sogleich  Bilder seiner Falken auf seinem Handydisplay zeigte.

 

Wie sich herausstellte, weilte Hussein mit einer größeren Gruppe in Aachen, deren einzelne Mitglieder im Klinikum Aachen medizinisch behandelt wurden. Da mir der junge Mann auf Anhieb sympathisch war, lud ich Ihn für den folgenden Samstag zur Krähenbeize in einige Reviere ein, die wir auch bei unserer Krähentagung in Hambach nutzen.

Da ich meinem zukünftigen Gast die Krähenbeize in einem etwas erweiterten Rahmen vorführen wollte, sollte neben Ulli Kreutz mit seinem eineinhalbjährigen Wanderfalken Emma auch noch Marcus Dörstel mit seinem Rotvogel Lattivia teilnehmen.

 

Pünktlich am Samstag um 12.00 Uhr trafen beide Falknerfreunde bei mir ein und wir warteten, zugegeben mit etwas Vorfreude, auf unseren Gast.

Hussein erschien dann auch ein wenig verspätet in Begleitung von fünf Personen, die sich als zwei Falkner aus Katar, einem weiteren Falkner aus Dubai sowie zwei Dolmetschern vorstellten. Bei Kaffee, Gebäck und Tee, meine Frau hatte natürlich eine arabische Mischung besorgt, besprachen wir den weiteren Tagesablauf.

Noch schnell wurden auf Wunsch der Araber noch einige obligatorische Fotos geschossen und die etwas verkleinerte Truppe (ein Dolmetscher verließ uns wieder) verteilte sich auf die Fahrzeuge von Ulli und Marcus.

 

 

Auf der Fahrt in die Reviere regte sich zwischen unseren Arabern ein reger Informationsaustausch per moderner mobiler Telekommunikation, die jeweils mindestens 20-30 Telefonate miteinander oder mit irgendwelchen Bekannten während des Nachmittags führten.

Überhaupt schien das Handy eine wichtige Rolle im Leben der Wüstensöhne zu spielen, interessant war ein Programm, ich glaube, man nennt dies APS, mit welchem Hussein die Funktionalität und die Senderfrequenz von Markus Marshallsender überprüfte !

 

Im ersten Revier sollte ich Else fliegen, da sie mit Ihren 7 ½ Jahren mit Abstand der älteste und erfahrenste Falke in unserer Jagdgesellschaft ist. Als wir uns einem Krähenschwarm näherten, der vor einem kleinen Vorort von Langerwehe lag, flüchteten diese schon frühzeitig mit einer Fluchtdistanz von ca. 300 m. Mit den Worten „ Mach was draus!“, entkappte ich Else und diese griff die Krähen dann auch mit halbem Wind energisch an.: Bedingt durch den frischen Wind ging die Jagd über die Ortschaft , denn Else benötigte ein wenig Zeit, um die hoch fliegenden Krähen zu übersteigen, nach einigen Durchgängen drückte sie die Krähen in einige Obstbäume am Ortsrand in die Nähe eines Geflügelhofes .

Anschließend ging sie wie gewohnt ins Anwarten über und hielt den gesamten Schwarm mit Scheinangriffen in Schach. Ulli wie gewöhnlich der erste am Tatort brauchte wenig Lärm, um die Krähen zu heben und Else brauchte nur ein paar Stöße um die erste Krähe zu binden.

 

Etwas überrascht beobachtete ich unsere Araber, die mit einer Begeisterung, die ich nicht für möglich gehalten hätte, über den vom tagelangen Regen aufgeweichten Acker rasten, um so möglichst schnell am Falken zu sein. Ihre herzliche Begeisterung war geradezu ansteckend und so freuten wir uns gemeinsam über den ersten erfolgreichen Flug an diesem Nachmittag. Nebenbei sahen unsere neuen Freunde aus wie Wildsäue aus der Suhle, da sie mit normalen Straßenschuhen über den total aufgeweichten Acker gerannt waren.

Den zweiten Flug sollte nun Marcus mit Lätti machen, Lätti, eigentlich wie bereits erwähnt von Marcus nach keltischem Vorbild Lattivia genannt, hat aus praktischen Erwägungen von mir einen kürzeren Namen verpasst bekommen, den dann auch unser Jungfalkner Marcus übernommen hat und der seinen Vogel entweder Lätti oder bei besonders schönen Flügen auch schon mal „mein Kleines“ ruft.

Trotz einer guten Chance machte Lätti nicht wie gewohnt den notwendigen Druck, sondern verpasste mit ihrem halbherzigen Angriffsflug diese recht gute Möglichkeit, statt dessen flog sie schweimend einige Ringe und griff einen weiteren Krähenschwarm in der Nähe eines Pappelwäldchens an.

 

Während nun Marcus und Ulli versuchten die Krähen dem nun etwas besser motivierten Falken zu heben, bemerkten wir Zuschauer mit etwas Unbehagen, eine in orange gekleidete Jagdgesellschaft nur wenige Hundertmeter entfernt in einem Nachbarrevier. Da der Falke nun das Pappelwäldchen in Richtung Treibjagd verließ, versuchte ich nun in Abwesenheit des Falkners den Falken einzuholen, parallel reichte ich Hussein meine gebeizte Krähe mit der Bitte, den Falken auch damit zu locken.

Unter dem Jubel seiner Falknerfreunde, der mindestens so groß war wie bei der ersten gebeizten Krähe, holte nun Hussein Lätti ein und sicherte sie im wahrsten Sinne des Wortes.

Auf Grund Ihres Verhaltens entschied Marcus, Lätti erst wieder am späten Nachmittag zu fliegen, da sie an diesem Tag doch ein wenig zu hoch sei.

 

In Anbetracht der nahen Treibjagd wechselten wir nun das Revier und fuhren erst einmal in ein etwa 5 km entferntes Revier, hier sollte Ullis launische Emma zum Einsatz kommen, Emma, ein wunderschöner großer Wanderfalke, kostet Ulli viele Nerven, da sie des Öfteren nach teils tollen Flügen am nächsten Beiztag die Arbeit gänzlich verweigert.

Doch heute sollte sich Emma als wahrer Wettkampftyp zeigen, vielleicht auch weil Ulli den Falken einem unserer Katarern überreichte und sie von dessen Faust den angepeilten Krähenschwarm auf 200 m kompromisslos angriff und die Krähe ohne jegliche Hilfe schon im dritten Stoß an einer Hecke band. Nach einigem Suchen fanden wir den Falken, der mit der Krähe in den Brennnesseln stand und uns mehrmals passieren ließ.

Die Freude unserer Araber über diesen Erfolg war nun riesengroß und die Begeisterung unserer Gäste steckte auch uns Einheimische mehr und mehr an.

 

 

Da Ullis Falke noch einen zweiten Flug machen sollte, atzten wir Emma nicht auf, sondern fuhren in Richtung Tagebaue, um nun Else eine weitere Möglichkeit zu bieten.

Ullis Beispiel folgend stellte ich nun Hussein Else auf die Faust und wir fuhren einen kleinen Schwarm von ca. 10 Krähen an, der vor uns den Hang hinauf in Richtung einer Hecke flüchtete. Nachdem Hussein Else geworfen hatte, nahm diese mit kurzer Verzögerung die Verfolgung auf und erreichte die Krähen erst kurz nach ihrem Einfallen in die Deckung. Da Else nun in Ihre Anwarterposition ging, kostete es uns ein wenig Mühe, die vor Passion kochenden arabischen Falknerfreunde dahingehend zu leiten, die eingefallenen Krähen im passenden Moment zu heben. Nach etlichen tollen Stößen trudelte Else dann mit ihrer zweiten Krähe zu Boden. Während ich Else unter großem Hallo einige Belohnungsbrocken reichte, entdeckten unsere neuen Freunde eine Herde Kühe mit ihren Kälbern, die uns von der Nachbarwiese anglotzten. Auch hier wurde die Kuhherde von unseren neuen Freunden mit einer fast jugendlichen Begeisterung wahrgenommen.

 

Den nächsten Flug sollte nun wieder Emma machen und starten sollte sie von der Faust unseres zweiten Katarers, hierfür befuhren wir ein Nachbarrevier, welches direkt an den Braunkohletagebau grenzt. Östlich bemerkten wir nach einigen Kilometern einen Schwarm von etwa 20 Krähen, die Emma mit leichtem Seitenwind auch sofort annahm und sie in Richtung Tagebau verfolgte.

Direkt in der Nähe der Tagebauböschung sahen wir Emma noch einige Stöße machen, ehe sie mit einer Krähe hinter der Abruchkante verschwand. Ulli, Markus sowie der Katarer, von dessen Faust Emma gestartet war, waren schon nach Emmas Start dem Falken laufend gefolgt und signalisierten uns per Handzeichen den erfolgreichen Ausgang des Fluges.

 

Was nun an Begeisterung unserer neuen Freunde folgte, erinnerte mich mehr und mehr an unseren Rheinischen Karneval, mit der Ausnahme, dass wir Rheinländer, um einen ähnlichen „Feiergrad“ zu erreichen, uns ein bestimmtes Quantum des ortsüblichen Nahrungsmittels in Form von Kölsch zu Gemüte führen müssen. Zu Klängen arabischer Weisen, die, wie könnte es anders sein, aus einem der viel genutzten Handys erklang, wurde ich aufgefordert einen, sagen wir einmal, arabischen Sirtaki zur Feier des Tages gemeinsam mit den Wüstensöhnen zu tanzen, dem Anlass entsprechend natürlich in Gummistiefeln. Der Tanz wurde begleitet von kehligen Jubelschreien unser morgenländischen Falkner, die weithin vom Jagderfolg des Falken kündeten.

Nach diesem tollen Flug atzte Ulli seine Emma auf, denn er war mehr als zufrieden mit diesem erfolgreichen zweiten Flug.

 

Da Markus noch ein wenig warten wollte, war nun Else mit ihrem dritten Flug an der Reihe, in Sichtweite des Kraftwerkes von Weisweiler startete sie von, ich glaube, Mustafas Faust, in den späten Novembernachmittagshimmel, um einen kleinen Schwarm Krähen zu verfolgen, der einer größeren, ca. 400 m langen Deckung an einer Böschungskante zustrebte. Nach zwei harten Stößen von Else auf die letzte Krähe, die nur knapp daneben gingen, ging der Falke nun ins Anwarten über.

Nur mit einiger Mühe und mit viel Laufarbeit war es uns möglich, die Krähen dem nun kompromisslos stoßenden Falken noch einmal zu heben und Else belohnte uns mit einem finalen Beutestoß, kurz bevor sich der Schwarm endgültig in Sicherheit bringen konnte.

Nachdem Else ihre verdiente Belohnung in Form einer guten Kropffüllung Krähenfleisch von Mustafas Faust bekommen hatte, beeilten wir uns noch Marcus zu einem Flug zu verhelfen.

Am Rande von Langerwehe startete nun Lätti zu ihrem zweiten Flug und begeisterte uns wie so oft in dieser ihrer und auch Marcus ersten Saison mit einem tollen Flug. Der angegriffene Schwarm entkam aber leider, trotz der energisch geflogenen Durchgänge von Lätti in eine hohe Pappelreihe in der Nähe eines Bauernhofes.

 

Während nun auch Markus seinen Falken belohnte, versammelten sich Spaziergänger, Radfahrer und auch der ansässige Landwirt, um die nicht alltägliche Jagdgesellschaft zu begutachten.

Jeder der Zuschauer wurde von unseren arabischen Freunden per Handschlag freundlich begrüßt und wir versicherten den Zuschauern, dass die Araber nicht zu uns gekommen waren, um unsere Falken zu kaufen.

Zum guten Schluss hatten unsere neuen Freunde eine Überraschung in Form eines Imbisses für uns bereit. Da sie für unsere Einladung zum Abendessen keine Zeit hatten, öffneten Sie die Heckklappe ihres abgestellten Wagens und kredenzten uns ein in minutenschnelle aufgebautes, umfangreiches Abendessen auf einem Feldweg, bei dem sie uns, unter den neugierigen Blicken der ortsansässigen Bevölkerung bis zur vollständigen Sättigung fürsorglich aufatzten.

 

Leider wurde nichts mehr aus einem abgemachten Folgetreffen am folgenden Wochenende, da unsere neuen Freunde ein paar Tage, wegen des Ramadan, früher in die Heimat abflogen.

Was bleibt ist die Erinnerung an einem rundum gelungenen Beiztag, mit fünf gebeizten Krähen und fröhlichen, ungezwungenen Menschen.

 

Wolfgang Reuter, Landesverband Nordrhein-Westfalen

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